Habt ihr diesen wunderbaren Post gelesen? Catherine hatte netterweise den Hinweis gegeben, und Alex von Mama macht Sachen spricht mir sehr aus der Seele. Da ich selber auch schon manchmal zu einer ähnlichen Thematik etwas schreiben wollte, ergreife ich jetzt die Gelegenheit.
Bis vor nicht allzu langer Zeit hatte ich auch fast jeden Tag Jeans und (Ringel-)Pulli an. Es gab eine Lieblingsjeans und vielleicht 2-3 Lieblings-Shirts, die zumindest mit einem schönen Dekolleté glänzen konnten, dazu Chucks oder coole Stiefeletten an die Füsse. Ich will das jetzt garnicht werten oder so, mal blöd ausgedrückt, viele Frauen sind so angezogen, das ist die Mama-Uniform, die mir jeden Tag in Kindergarten und Schulhof zuhauf begegnet. Irgendwie war es ok, bei vielen Frauen finde ich das auch ganz nett anzusehen, allerdings richtig wohl hab ich mich selber damit nicht gefühlt.
Um richtig gut darin auszusehen, muss man ziemlich schlank sein, wie ich finde. Jeans haben aber heute alle einen Bund unter der Taillenhöhe, der ab Größe 42 grundsätzlich das Gefühl hinterlässt, zuviel Speck auf den Hüften zu haben.
Meine Shirts waren fast alle selbstgenäht, immerhin, gekaufte sind mir generell zu kurz und unten zu eng. So gerne ich bei anderen schicke Gürtel und enge Shirts gesehen habe, mir selber steht es nicht, bzw. ich hatte immer wieder das Gefühl: Du bist irgendwie zu dick. (Mit den zu erwartenden Folge-Gedanken: Du müsstest mehr Sport machen. Du müsstest dringend abnehmen. Ein permanentes latentes schlechtes Gewissen.) Geht das vielen Frauen so? Ich weiss es nicht, aber ich nehme es an.
Und dann gib es ja in jedem Umfeld die einzwei Frauen, die sich jeden Tag schick und evt. ungewöhnlich präsentieren, die positiv damit rüberkommen und ein wenig Bewunderung hervorrufen.
Warum nicht ein Beispiel nehmen?
So, und jetzt habe ich das alles einfach mehr oder weinger hinter mir gelassen. Ich bin fertig mit Jeans! (Ok, eine habe ich noch, eine schmale die quasi als stabiler Leggingsersatz dient, wie die am Bund aussieht ist egal, sieht man nicht). Adieu all ihr Pullis, ich trage jetzt Kleider!
Den Kleidern ist die Hüftweite nämlich völlig schniepe, kein Bund muss auf dem Speck halt finden.
Und plötzlich habe ich eine sehr weibliche Silhuette, ich weiss wieder wo meine Taille ist (ich habe nämlich eine, sie ist nur woanders!), fühle mich jeden Tag ein bisschen wie eine Königin und geniesse es!
Es ist wirklich ein anderes Lebensgefühl, das klingt vielleicht lächerlich, aber ich gehe selbstbewusster und fröhlicher durch den Tag. Ein Tag an dem man ein Kleid anzieht, muss ein toller Tag sein und jeder Tag darf ein toller Tag sein! Oder ist das albern? Bin ich oberflächlich??
Manchmal ertappe ich mich bei dem Gedanken, das alles vielleicht zu wichtig zu nehmen. Ich wundere mich, daß ich Stunden im Nähzimmer verbringe wegen eines einzigen Kleides, dabei ist mein Kleiderschrank doch voll von Sachen die mir passen. Das sitzt irgendwo in mir drin, daß sich schön machen ja eigentlich "überflüssig" ist.
Musste ich 40 werden um zu erkennen, daß ich mich auch nur für mich schick machen darf, wenn es dann den nicht zu unterschätzenden Effekt hat, daß ich wesentlich besser gelaunt durchs Leben marschiere? Und das damit viele Dinge sogar leichter fallen?
Und ist, um auf Alex Diskussion zurück zu kommen, das Kleider tragen unpraktisch im normalen Familienalltag? Ich sage mal fast Nein. Also in einem etwas knappen Webstoff-Kleid die Duschwanne zu schrubben ist nicht ganz so bequem wie in Shirt und Hose oder Rock. Aber in den etwas alltäglicheren Jerseykleidern geht jede Verrenkung, die der Haushalt so erfordert.
Sehr weite Röcke können sich in ungeschützten Fahrradspeichen verfangen, da hilft aber ein lockerer Knoten im Rock. Nutellamünder am Lieblingskleid abschmieren finde ich jetzt in keinem Fall schön. Gewaschen werden müssen aber dann auch praktische Sachen (oder etwa nicht...?).
Also das mit dem praktisch sollte man nur als Ausrede gelten lassen!
Die Umstellung der Garderobe hat eine Weile gedauert. Ich merke das erst in den letzten Wochen, daß sich bei noch letztes Jahr gern getragenen Sachen inwischen bei mir alles sträubt, was mich selber wundert. Also habe ich wohl etwa binnen eines Jahres eine ausreichende Anzahl an für mich jetzt tragbaren Klamotten durch die Nähmaschine gejagt. (Warum wohl hauptsächlich? Ihr erratet es: Danke an Cat für die großartige Erfindung des MeMadeMittwoch!)
Es braucht neben dem bisschen Mut, mal anders als sonst angezogen zu sein (und damit im Umfeld erstmal ein paar Blicke zu ernten) auch erst noch die entsprechende Anzahl an "neuen" Sachen, wobei ich das weniger als finanzielles Problem sehe denn als zeitliches (wenn man alles selbst näht so wie viele hier), auch Secondhand-Schnäppchen-Jagd geht ja nicht von heute auf morgen. Zu den Anziehsachen kommen dann meist noch passende Schuhe dazu, die Jacken kann man vielleicht auch nicht mehr tragen...Dafür kann man sich in der Umstellungs-Phase langsam an das neue Wohngefühl in den Klamotten gewöhnen.
Hat denn mein Umfeld irgendwie reagiert? Ausser Komplimenten und dem immerwährenden Bedauern, daß man ja selber leider nicht so gut nähen könnte (sich das aber sehr wünschte) kann ich mich an nichts auffälliges Erinnern. Einmal wurde ich gefragt, ob ich noch was vorhabe, das geht wohl in Richtung "overdressed", aber ich lasse es mal als Komliment durchgehen...:-)
Blicke von Leuten, die ich nicht kenne sind mir egal, die anderen dürfen sowieso gucken, oft kommt dann die Frage: "Hast Du das AUCH selbst genäht?" Das ist aber nett gemeint, die Bewunderung gilt ja oft eher ebenso (oder nur? keine Ahnung) dem handwerklichen Können (für einen Aussenstehenden mag es so aussehen, ich zähle mich eher zu dem schnellen Pfuschern...*g*)
Manchmal ist es mir fast ein bisschen unangenehm, daß ich das so hinkriege, ich empfinde das Nähen können nämlich eher als etwas, für das ich nichts kann. Jedenfalls hoffe ich, daß sich doch bald mal die eine oder andere noch anstecken lässt, einige Interessenten (noch Nähmaschinenlos...) gibt es schon.
Ich wohne übrigens in einer Kleinstadt, arbeite aber als Musikerin mit so manchem Paradiesvogel in einem Haus. Vielleicht macht es das einfacher? Es gehört immerhin bei uns zum Beruf, sich mindestens für die Sinfoniekonzerte schick zu machen, dafür gibt es sogar eine Kleiderordnung. In manchen Orchestern sind dafür Lackschuhe und bodenlange Abendgarderobe Pflicht, bei uns sind sie (noch) nicht so super streng, aber es glitzert schon ziemlich bei uns auf der Bühne beim Konzert ;-).
Diese für den besonderen Moment feierliche Atmosphäre bewirkt auch eine andere Einstellung zu dem Akt des Konzertes. Daher kenne ich die Verknüpfung von Gefühl bzw. Bewusstsein bedingt durch die Wahl des "Anzuges" von Berufs wegen eigentlich schon seit Jahren.
Meine Güte, ich bin so froh, keine Jeans mehr tragen zu "müssen"...
Das war jetzt mein Statement zu dem Thema, bei Alex hat sich in den Kommentaren eine tolle Diskussion dazu gebildet.
Und jetzt zeige ich Euch passend zum Thema noch mein Geburtstagskleid. Es wurde zwar zum Geburtstag Ende September nicht fertig, aber die Planung war so, deswegen behält es für mich den Namen.
Es wäre fast ein bisschen misslungen, denn ich habe zu klein zugeschnitten. Wie einige andere und ich eigentlich auch schon gemerkt hatten muss man bei Knip bei den Webstoff-Schnitten mit der Größe eigentlich ein bisschen aufpassen. War ich wohl zu schnell mit der Rollschneider... Jedenfalls stellte ich nach dem Zusammennähen fest, daß meine gewohnte Größe ein bisschen zu knapp ist. Also hab ich alles wo weit gemacht wie möglich bei den kleinen Nahtzugaben, die ich immer so zuschneide und durfte dann entnervt registrieren, daß der Stoff solche Prozeduren eigentlich nicht verträgt. Das dunkelblau ist nämlich nur gedruckt, der Stoff ist eigentlich weiss und jeder halbwegs gezupfte Faden und jedes Loch einer Naht erscheint jetzt als weisser Strick bzw. Punkt auf der Vorderseite, grmpf. (Ich überlege vorsichtig mit einem dunkelblauen Edding die schlimmsten Stellen zu färben...)
Getragen habe ich es schon einige Male, es ist superschön und passt schlussendlich auch, sieht toll aus zu hellbraunen Stiefeln. Es sieht ehrlich gesagt auch besser an mir aus als an der Puppe, aber jetzt ist es schon zu dämmerig für Bilder vorm Spiegel, das gibt es dann irgendwann Mittwochs ;-)
Der Schnitt ist aus der Knip 8/12, das Kleid Nummer 27.
Änderungen: Ich habe die Teilung an den Ärmeln weggelassen und die Ärmel ein Stück länger gemacht. Das dreieckige Einsetzstück im Ausschnitt habe ich mehrfach versetzt, das ist im Original höher. Evt. schneide ich die Taschen wieder weg, die sitzen jetzt grad auf der Hüfte (da war sie wieder... ;-)) und beulen so ein bisschen rum.
Passform: Eher eng, nicht zu klein rauskopieren!
Würde ich nochmal nähen: Eindeutig ja! Die Taille ist schön hoch, das Kleid macht eine tolle Figur und mit den Teilungen kann man hübsche Akzente setzen.
Der Stoff ist vom Ostbahnhof-Kaufhof aus Berlin, ein Druck mit 70er Blümchen, die zum Rand hin immer mehr werden, Material Polyestergemisch, schön weich und bügelfrei...
toll geworden!! ich schließe mich dir voll u ganz an, man soll was aus seinem äußeren machen. man fühlt sich selbst besser u andere gehen auch anders mit einem um. ich habe den "hast du heute noch was vor?"-satz auch schon oft gehört, in gedanken antworte ich darauf "ja, mich gut fühlen u einfach ICH sein" :) allerdings bin ich eher der rock- u seltener der kleidertyp, aber schick mache ich mich gerne ;)
AntwortenLöschenhuhu! oh, du sprichst mir aus der seele...ich trage zwar auch eher röcke als kleider, aber auch bei mir hat sich dank cat so einiges an selbstgenähten klamotten angesammelt...,und ich trage! sie auch...ich werde des öfteren seltsam angesehen...meine freundin hat aufgehört einen kommentar zu geben und meine tochter meint, ich sei für diese art klamotten zu alt ;o)!!! aber ich trage sie trotzdem und ich fühle mich gut dabei...ich habe kollegen, die finden es prima...und das zeigt mir dann doch, das ich; so wie ich bin, total okay bin....liebe grüße nico
AntwortenLöschenHallo Katharina,
AntwortenLöschenschön, daß Du meinen Gedanken aufgreifst. Ich war ein bißchen überrascht von der Fülle der Reaktionen, die darauf kamen. Da scheint ein Nerv bloß zu liegen.
Meine Erfahrung ist, daß in nem kreativen Umfeld (in meinem Fall Theater ne ganze Menge mehr style durchgeht/akzeptiert wird.
Bin gespannt, wohin uns dieser Gesprächsfaden noch leitet.
Liebe Grüße
Alexandra
Das Kleid ist wunderschön, der Stoff ist wirklich bezaubernd! Ich hoffe, Du fühlst dich jedes Mal, wenn Du es trägst, als hättest Du Geburtstag! :)
AntwortenLöschenDeinen Text finde ich toll - ich befinde mich selber gerade auf dem Weg, meine Garderobe umzustellen. Wie Du sagst dauert es eine Weile und die Umstellung ist bei mir noch lange nicht abgeschlossen. Aber ich möchte so gerne viel mehr Röcke und Kleider tragen, ich fühle mich sauwohl in ihnen. Aber ich scheue mich doch noch so manches Mal davor, "overdressed" zu wirken. Vor allem, da ich als Erzieherin in einer Krippe arbeite. Aber es gibt schon ein paar Stücke in meinem Kleiderschrank, die sowohl praktisch als auch bequem und vor allem besonders und schön sind. Du machst mir Mut - ich werde weiter an dieser Umstellung arbeiten! :)
Liebe Grüße
Antje
Liebe Katharina ! Wie schön , dass Du auch dazu schreibst , das heisst ja wohl , dass das Thema zumindest bei Frauen , die selbst schneidern so richtig in Gang kommt - toll !Und die Selbstschneiderinnen haben den Vorteil ,dass man im Laufe der Zeit seine Plus - und Minuspunkte figürlicherseits realisiert , durch solche Aktionen wie den MMM aber nicht mehr als " ach , das ist ja furchtbar , ich habe zuviel auf den Rippen " beweint , sondern sich gezielt Schnitte suchen kann , die dann tatsächlich das weibliche Bäuchlein tolerieren und die Pluspunkte , die JEDE FRAU hat gut oder besser zur Geltung bringen .Ganz zu schweigen davon , wie gut das ist von allen normnalen Frauen zu hören , dass sie mit diesem oder jenem hadern.
AntwortenLöschenZu den allgegenwärtigen Jeans sei noch gesagt : auch wenn frau relativ schlank ist , ist das nicht der Seeligmacher : auch da fällt das Fleisch einfach an der verkehrten Stelle über den Bund ! Seit ich meine Röcke oder Kleider selbst nähe weiss ich : KEIN KLEID UND KEIN ROCK STELLEN MICH SO BLOSS und unvorteilhaft dar wie diese blauen Hosen...
Schön und ermutigend auch , dass du schreibst , dass Du zwar angeguckt wirst , dass aber Kommentare meistens positiv sind . Hier im Norden sind die Menschen meist nicht so mitteilsam ;) aber ich erkenne trotzdem an den Blicken , dass frau positiv wahrgenommen wird
Liebe grüsse Dodo
Ich denk noch ein wenig über deinen Post nach :), Kommentare dazu gibts dann vielleicht mal noch.
AntwortenLöschenAber das Kleid ist echt genial, das gefällt mir total gut. Gerne würde ich es mal noch angezogen sehen damit ich die Länge sehe und wie der Ausschnitt aussieht :). Toll wie du mit dem Stoff gespielt hast.
Du hast in deinen Post, so, auch meine Gedanken geschrieben.Ich bin gerade auch in so einer Umstellphase.Das Kleid,wau ist das schön.LG Annette
AntwortenLöschenEin sehr schönes Kleid!
AntwortenLöschenIch habe meine Garderobe auch auf Kleider und Röcke umgestellt (allerdings überwiegend selbstgekauft) und trage nur noch sehr selten Jeans - aus den gleichen Gründen wie bei dir. Kleider ziehe ich Röcken eigentlich noch ein bisschen vor, weil da das Oberteil schon dabei ist - fehlen nur noch ein Cardigan, Strumpfhose und Stiefel und man ist fertig angezogen. Perfekt!
Herzlich, Mona
Wenn mich das iPad hier läßt, kann ich mal kurz was schreiben(es ist immer Glückssache mit dem Ding)....
AntwortenLöschenErst mal: ein wundervolles Kleid hast du dir zum Geburtstag genäht! Der Stoff und der Schnitt sind genial zusammen!!!
Zum "Muttischick": ich trage ja auch seit geraumer Zeit keine Jeans mehr und mein Umfeld reagiert darauf meist positiv. Allerdings passiert es mir immer mal wieder, dass ich selbst in einem legeren Jerseykleid auffalle, aber egal, denn ich fühle mich sehr wohl in Kleid oder Rock....Zum Beispiel war ich ungelogen de einzige,die auf einer 1. Maiwanderung, die mehr ein länger Spaziergang war keine Funktionskleidung getragen hat. Egal ob Frau oder Mann alle trugen Wanderkleidung
Das iPad hat mich grage rausgeschmissen....vielleicht schaffe ich es gleich wenn die Meute im Bett ist, am pc weiter zu schreiben....
AntwortenLöschenLiebe Katharina,
AntwortenLöschenIch hab deinen Beitrag schon letzte Woche gelesen, aber das Kommentieren verpeilt - toller Text! Ich kenne all diese Gedanken auch sehr gut vor allem den, ob ich dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung beimesse. Aber wenn ich jetzt so tun würde, als wär mir das alles nicht so wichtig, dann müsste ich ganz schön viel Energie darein stecken, ein besserer und bescheidenerer bzw. gemäßigter Mensch zu sein. Ich hab meinen Frieden mit mir gemacht in der Frage und weiß, ich werde meiner Garderobe IMMER viel Aufmerksamkeit schnenken, meine Mutter behauptet, das hätte ich sogar schon als 2jährige. Also Mut zu Großzügigkeit mit dem eigenen Ich - so wie bei dir!
Lg! Catherine