30.10.09

Freitags-Füller 33

1. Vor einer Woche hatte ich noch zwei große Löcher in den Zähnen, am Mittwoch war ich das erste Mal seit Jahren beim Zahnarzt.

2. Ich habe unsre Dorf-Zahnärztin geboxt und getreten als ich jung war.

3. Meine Mutter sagte daß ihr das ziemlich peinlich gewesen sei (wen wunderts...).

4. Heute morgen waren wir erfolgreich Klamotten shoppen, mein lieber Mann, das war ein schöner Vormittag, nur du und ich.

5. Nimm dir Zeit für Stille, ist eine tolle Erfahrung .

6. Auch die unangenehmste Situation wird vorbeigehen !

7. Was das Wochenende angeht, heute Abend freue ich mich auf den Tatort , morgen habe ich viel zuviel geplant und Sonntag möchte ich ein nettes Mittagessen mit meiner Familie !

Von hier, danke!


Zu 5 und 6 erzähle ich Euch jetzt eine nicht alltägliche Geschichte aus meinem Musikeralltag: Gestern abend hatten wir Sinfoniekonzert, auf dem Programm standen Stücke amerikanischer Komponisten des 20. Jahrhunderts, z.B. Gershwin aber auch Cage. Von eben jenem Cage gibt es ein Stück mit dem Namen 4'33''. Unter Musikerkreisen ist das Stück bekannt, es ist ein Kuriosum, denn es besteht daraus daß, der oder die Musiker (die Besetzung ist hier wirklich egal...) 4 Minuten und 33 Sekunden NICHTS spielen. (Es gibt sogar "Noten", drei Sätze sind angegeben, unter denen "tacet" steht, das ist die Bezeichnung wenn man in einem Stück nichts zu spielen hat).

Wir hatten dieses Stück gestern auch auf dem Programm.

Weil in den letzten Proben vor dem Konzert alles genau wie im Konzert geprobt wird, haben wir das Stück zweimal schon "durchlebt" (ich nur einmal, das andere mal war ich beim Zahnarzt...) und ich war wirklich sehr beeindruckt. Man sitzt mit ca. 70 Menschen eng auf der Bühne und es passiert fast 5 Minuten nichts, Stille, keiner spricht, keiner lacht, nur ein paar Knackser von den Stühlen. Toll. Meditativ, fast wie ein Gebet. Und 4min.33sec. sind lang! Ich hab es echt genossen, diese Stille, diese Ruhe, ganz ungewöhnlich, das.

Nun also Konzert, das Publikum musste u.a.schon ein ziemlich modernes Werk "aushalten", im zweiten Teil dann als vorletztes 4'33'' . Natürlich wird dem Publikum nicht gesagt, aus was das Stück besteht.

Wir beginnen. Nach wenigen Sekunden kommt aus dem Publikum das erste Gemurmel, verhaltenes Gekicher. Dann lautere Gesprächsfetzen, weiter Gelächter, sie scheinen zu denken, sie würden veräppelt. Der erste pfeift etwas leises, verhaltene Antworten aus anderen Ecken, dann Vogelstimmen, alles immer untermalt von einem Dauergeflüstere, eine "Eule" ruft. Jetzt beginnen sie zu klatschen, erst wenige, dann wie eine Welle immer mehr, aber wir hören ja nicht auf, wir brechen nicht ab, das Klatschen verebbt, es wird weiter gepfiffen, ein Anfang der Nationalhymne, andere Zitate, jemand lässt einen großen Schlüsselbund fallen, manche Lachen laut. Dann beginnen sie mit Fußgetrappel, auch wieder wie eine Welle, immer mehr machen mit. Ich komme mir vor wie in einer Klanginstallation, das Publikum ist laut, frech und wirklich kreativ, einfallsreich und vor allem mutig (sind wohlgemerkt "normale" Konzertgänger, also vornehmlich Rentner), aber trotzdem ist die Situation, auf der Bühne zu sitzen eigentlich nicht schön, wir reissen uns zusammen um nicht lachen zu müssen und ich denke an die schöne ungewöhnliche Stille gestern bei der Probe. Dann endlich der erlösende Abschlag des Dirigenten, puh, geschafft! Großer, befreiter Applaus.

Es ist sicher schwierig zum Verhalten des Publikums irgendwas wertendes zu sagen, denn der Effekt des Stückes ist so oder so super interessant. Bei uns hat also das Publikum den ausführenden Part übernommen und wird bestimmt noch lange daran zurückdenken. Sicher passieren bei anderen Aufführungen ganz andere Dinge, jedes Mal ist anders. Schon faszinierend. Auf jeden Fall mehr als nur ein Gag.

Aber ich fand es echt schade, daß die Stille offensichtlich nichts ist, was man mal aushalten kann, jedenfalls nicht über längere Zeit.

4 Kommentare:

  1. Das war sicherlich ein faszinierendes Erlebnis. Stille Aushalten können wirklich nicht viele Menschen. Aus eigenen Erfahrung kann ich nur sagen, das ich das auch üben musste.

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  2. das hört sich sehr interessant an. ich empfinde stille je nach situation als wohltat, entspannung aber auch mal bedrohlich.
    danke für diese tolle geschichte!
    glg, andrea

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  3. Ich denke wenn die Leute gewußt hätten, dass es um Stille geht (so wie ihr dies ja wußtet), wäre das Ergebnis ein ganz anderes gewesen. Aber geht es denn in diesem Stück wirklich um Stille?!? Beschreibst du nicht genau das, was der Komponist im Sinn gehabt haben könnte? Die eigene Kreativität und alles was damit zusammenhängt zu entdecken? Ich finde deinen heutigen Beitrag großartig - er gibt mir etwas zu denken! Ich persönlich liebe nämlich die Stille - wenn auch hauptsächlich dann, wenn ich alleine bin!
    LG, Hannah

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  4. mmhh....extrem interessant. ich liebe stille. nehme mir immer wieder auszeiten, in denen ich einfach nur die stille genieße.......aber in einem konzert? das stelle ich mir sehr......wie soll ich sagen.....nervenaufreibend vor. vor allem, wenn ich nicht weiß, wie lange das geht.
    allerdings finde ich die reaktion deines publikums genial kreativ! klasse!

    was spielst du denn, wenn du nicht gerade still sein mußt? ;o)

    liebe grüße, lina

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